Von Malweibern und wütenden Wissenschaftlerinnen

Als ich vor Kurzem dieses Glanzbild aus meiner Kindheit zufällig in meinen privaten Unterlagen fand, musste ich sofort an Ellen Tornquist denken. Es stammt aus den 1970er Jahren. Eine malende junge Frau, keck im Minikleid – nichts Besonderes also. Nichts Besonderes?

Glanzbild mit Malerin
Lackbild aus den 1970ern

Als Ellen Tornquist 80 Jahre zuvor Kunst studierte, waren die sogenannten Malweiber noch verpönt. Zum Zeitvertreib durften sich Frauen des Bürgertums durchaus den schönen Künsten widmen, und auch, um sich bei gesellschaftlichen Zusammenkünften in Gesprächen behaupten zu können, zur Zierde ihrer stolzen Ehemänner. Aber malen als Broterwerb? Unschicklich! Nicht nur, weil ein Mann seine Ehefrau und Familie alleine ernähren können sollte, sondern auch, weil Frauen als künstlerisch weniger begabt galten.

Hier kommen die wütenden Wissenschaftlerinnen ins Spiel. Erinnern Sie sich, dass ich im Auftakt zu diesem Blog schrieb, dass mir bei den Recherchen zu Ellen Tornquist ab und zu die Hutschnur hochgeht? Das ist der Grund. So sehr ich mich freue, dass schon seit Jahren verschüttete Biographien von Künstlerinnen rekonstruiert werden und zu ihren Werken geforscht wird, so empört bin ich immer wieder darüber, dass das überhaupt notwendig ist.

Als Ellen Tornquist 1895 mit 24 Jahren ihr Kunststudium an der Damen-Akademie in München aufnahm, bedeutete das für sie einen mutigen Schritt. Inwieweit sie dabei von ihren Eltern unterstützt wurde, wissen wir leider nicht. Auf jeden Fall ließ sie sich nicht nur wie ihre männlichen Kollegen auf eine finanziell unsichere Laufbahn ein, sondern sah sich auch mit gesellschaftlicher Ablehnung konfrontiert. Das Zitat des Architekten und Hochschullehrers Bruno Paul aus der Zeitschrift Simplicissimus bringt die abschätzige Haltung auf den Punkt. Er schrieb 1901:  „Sehen Sie Fräulein, es giebt (sic!) zwei Arten von Malerinnen, die einen möchten heiraten, und die andern haben auch kein Talent.“

Titelbild von Ellen Tornquist
Die Zeichnung von Ellen Tornquist zeigt eine selbstbewusste Künstlerin
(Bayerische Staatsbibliothek München,
Signatur 2 81.233, Titelblatt,
urn:nbn:de:bvb:12-bsb00104499-6)

Dennoch ergriffen zu dieser Zeit immer mehr Frauen den Künstlerberuf. Sie beteiligten sich vermehrt an Ausstellungen und schlossen sich zusammen, um für gute Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen zu kämpfen. Die Eröffnung der Damen-Akademie 1884 des Künstlerinnen-Vereins München war dabei ein bedeutender Meilenstein.

An der Damen-Akademie nahm Ellen Tornquist Unterricht bei Christian Landenberger, Theodor Hummel und Ludwig Schmid-Reutte und unterrichtete auch selber. Die meisten weiblichen Lehrkräfte unterrichteten in Gattungen wie Blumen, Stillleben oder Landschaften, die zur damaligen Zeit Frauen zugeschrieben wurden. Ellen Tornquist jedoch leitete Kostümkurse und unterrichtete auch Aktzeichnen, wie Yvette Deseyve in ihrer Monographie „Der Künstlerinnen-Verein München e.V. und seine Damen-Akademie“ (München, 2005) festhält. Für viele der hauptsächlich jungen Lehrkräfte, so schreibt Deseyve, war die Damen-Akademie nur eine Zwischenstation hin zu einer staatlichen Anstellung. Ellen Tornquist jedoch musste Deutschland, wie bereits berichtet, aus gesundheitlichen Gründen verlassen. In Meran fand sie ihr neues Wirkungsfeld.

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